Mittwoch, 18. November 2015

der Roncy Blues

Roncesvalles Village, meine erste Heimat in Kanada. Eine friedliche Nachbarschaft, mitten im Großstadtdschungel. Vom High Park im Westen bis Little Portugal im Osten erstreckt sich von der viel befahrenen Bloor Street im Norden bis zum beruhigenden Lake Ontario im Süden das Viertel, in dem ich lebe.
Als ich mit Sack und Pack angekommen bin, um mein neues Zuhause zu beziehen, bin ich an der Dundas West Subway Station ausgestiegen und von da an gelaufen. Es war bereits dunkel. Um zu meinem Ziel zu gelangen musste ich die namensgebende Roncesvalles Avenue hinab laufen. Zunächst war ich, ehrlich gesagt, etwas enttäuscht. In einer nordamerikanischen 3 Millionen Metropole zu leben, bedeutete für mich bislang zwischen Hochhäusern ein Zimmer in irgendeinem halbhohen Gebäude mit vielleicht maximal 10 Stockwerken als meinen Platz zu bezeichnen. Natürlich ist diese Annahme auch etwas naiv gewesen, obwohl mir schon klar war, dass ich mir ein Zimmer in Downtown zwischen den wirklich hohen Wolkenkratzer nicht leisten können werde. Im Roncy, wie die Einwohner ihr Viertel nennen, waren die Häuser jedoch nicht mehr als 4 Stockwerke hoch, die meisten hatten nur zwei. Das erinnerte mich eher an Uslar (ca. 3000 Einwohner) anstatt an Toronto.

Nachdem ich in den nächsten Tagen jedoch die Möglichkeit hatte meine Nachbarschaft auch mal im Hellen zu erkunden, lernte ich sie zu mögen. Besonders beim Einkaufen viel mir der erste Unterschied zu meinem Kaufverhalten in Deutschland auf, das doch eher dem Mainstream entsprochen hat. 
Viele kleine Geschäfte, die sich nebeneinander aufreien und so ziemlich alles verkaufen. Wie in einer deutschen Innenstadt mag man denken, aber wenn man genauer hin schaut bemerkt man einen Unterschied. In Deutschland steht der H&M neben dem New Yorker, zwischendurch mal eine Beckerfilialie einer Kette, ein McDonalds, hier ein Thalia, da ein Hugendubel. Hier reit sich dagegen ein Supermarkt einer asiatischen Familie neben "Mothers Bookshop", man findet den ein oder anderen Antiquitätenladen (u.A. einer im Besitz zweier deutschen Damen), 'canadian homemade' Klamottenhandel, ein Kino (welches mehrmals im Monat polnische Filme zeigt), einen polnischen Supermarkt und so weiter. Natürlich findet man auch hier ein Subway oder Tim Hortons (die gibt's hier sowieso wie Sand am mehr) zwischen den privaten Geschäften, und natürlich findet man auch in Deutschland private Geschäfte, aber es ist nicht so auffällig. Es wirkt etwas in der Zeit zurück geblieben, nicht so modern, dafür aber bunter und abwechslungsreicher und doch irgendwie etwas ruhiger. 
Was ich oben so schön beschrieben habe wurde mir beim ersten Einkaufen zum Verhängnis. Wo kauf ich meine Nahrungsmittel ein? Welcher Bäcker verkauft gutes Brot? Da hätte man für einen kurzen Moment doch gerne wieder seinen REWE um die Ecke. Nach etwas Orientierung gewöhnt man sich aber daran und wandert so von Laden zu Laden um alles zu bekommen. Vieles ist in privaten Geschäften jedoch auch etwas teurer, sodass ich mich doch ab und zu im größeren Loblaws Supermarkt wiederfinde. Wenn man auf das Geld angewiesen ist, macht es das eben billiger und einfacher - der Grund, der es privaten Geschaften immer schwieriger macht mitzuhalten und sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen.



Alles in Allem genieße ich es aber die privaten Geschäfte soweit es geht zu unterstützen und dabei auch den Anblick dieser Nachbarschaft zu genießen.
Es ist eben doch Großstadt, nur anders, wie eine deutsche Innenstadt, nur anders, wie man es sich vorgestellt hat, nur anders... anders schön.

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